Die Natur demonstriert sich als maximale Selbstentfaltung – unter allen Umständen. Diese Entfaltung ist vollkommen – überall und unabhängig davon, wie die Bedingungen sind. Natur heißt maximaler Ausdruck. Die Information trifft auf Bedingungen und macht das Beste daraus.
Ganz einfach gesprochen: Zwei Samen ein und desselben Baumes treffen auf unterschiedliche Bedingungen. Der eine fällt auf fruchtbaren Boden und treibt an diesem halbschattigen Plätzchen mit großer Kraft aus sich heraus. Er wächst zu einem wunderschönen, schattenspendenden Baum mit herrlich grüner Baumkrone heran. Den anderen Samen weht es nur wenig weiter. Auf steinig-lehmigen Boden findet er in sich hinein und öffnet sich trotz der ungünstigen Bedingungen. Er wächst im prallen Sonnenlicht in eine geduckte Gestalt hinein, die wenig Blätter trägt. Zwei Majestäten unter sich! Beide ganz da, wo sie sind, beide demonstrieren, dass sie als sich verwirklichende Lebenskraft in sich aufgehen.
Schau hin, vertiefe dich in diese Demonstration, dann wirst du es unmittelbar erkennen. Welcher Baum ist schöner, großartiger, besser? Und welcher der beiden Bäume möchtest du sein? – Das ist das Problem! Wenn du nicht ganz da bist wo du bist, wenn du nicht den Platz einnimmst, verliert sich die Kraft in Neid und Selbst-bedauern. Das macht aus der Majestät einen Bettler. Nichts anderes! Was schert es dich, was andere Leute in dir sehen? Was machst du dir darüber Gedanken, wie du auf andere wirkst? Komme zu dir, nimm deinen Platz ein, erfülle den Raum, der dein Leben ist, statt dich ständig zu vergleichen und dich benachteiligt zu fühlen. Die Majestät ist nicht die äußere Erscheinung. Sie zeigt sich in dir – als Wirklichkeit, die wirklicher ist als jede andere Wirklichkeit.
Das Erkennen der Natur transformiert das Bewusstsein. Die unmittelbare Bedeutung wird gesehen und damit zum Eigentlichen des Lebens. Die Bedeutung vergegenwärtigt sich in deinem und als dein Leben. Die schlafende Natur kommt im Bewusstsein zu sich und entdeckt, dass sie sich aus deinen Augen anschaut. Damit wirst du von Natur transformiert, weil du dich wirklich zu erkennen beginnst. Als Natürlichkeit, die im Bewusstsein zu sich kommt. Erwarte nicht zu viel von dir. Träume dich nicht in erdachte Zustände hinein. Vergegenwärtige, dass du am Leben bist und eins mit dem Leben bist..
Der vor sich hin und von sich selbst träumende Mensch macht sich von der „maximalen Selbstentfaltung“ natürlich sofort ein Bild und stellt sich darunter etwas Großartiges vor. Diese Vorstellungen sind es, die den überwiegenden Teil unseres Leidens hervorrufen. Wir leiden an einer Vorstellungswelt, die mit unserer Lebenswirklichkeit wenig zu tun hat. Wir stellen uns vor, wie wir dann sein würden, wie die Umwelt auf uns reagieren würde, was für uns dann alles möglich wäre und erschaffen dadurch einen mentalen Konjunktiv, der uns in unserer aktuellen Version völlig übersieht. Übersehe dich nicht. Das hat nichts mit maximaler Selbstentfaltung zu tun. Im Gegenteil, es verhindert sie unter allen Umständen, also auch dann, wenn die Umstände geradezu ideal sind!
Du bist ein sich selbst erlebender und bezeugender Lebensprozess und keine fest umrissene Entität, die so und so ist, aber das kannst du nicht erleben, wenn du immer wieder an den dir bekannten Betrachtungsweisen hängenbleibst. Du bist dir allein deshalb weitestgehend unbekannt, weil alle deine Bilder und Überzeugungen aus der Vergangenheit kommen und die Wirklichkeit des sich entfaltenden Lebens überlagern. Denn das ist es, als was du lebst – als Entfaltung!
Wenn du klar erkennst, dass du immer wieder auf dieselben Bilderwelten und Ideen reinfällst, wirst du bemerken, was sie in dir hervorrufen und bewirken. Sie ziehen dich weg, rauben deine Kraft, leben auf deine Kosten und machen dir vor, dass du anders besser wärest.
Diese mentalen Überlagerungen können dich nur beherrschen, solange du ihnen deine Stimme leihst und ihnen Gehör schenkst. Dieses rein mentale Ich, dass alles besser weiß, hat keine Ahnung von der Wirklichkeit des Lebens. Es weiß nicht, wer du bist. Es weiß nur, wie es dich sieht. Und du übernimmst seine Sichtweise. Damit hat es dich in der Hand. Jetzt kann es dein Leben an dir vorbei planen, jetzt spielst du bereitwillig nach seinem Drehbuch und hoffst so zu der (Super)Person werden zu können, mit der sich das mentale Ich identifizieren kann.
Einfach gesagt: Vorstellungen können durchaus eine große Bereicherung darstellen. Wir sind Menschen. Aber wir können uns nicht vorstellungsgemäß entwickeln, wenn wir keinen Einblick in die Natur der Dinge haben. Und wenn sich dieser Einblick in uns durchsetzt, sehen wir uns und die Welt bereits mit anderen Augen in einem neuen Licht. – Es ist das Licht, das nicht von Vorstellungen überlagert ist.